...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Wenn Hexen am Brocken tanzen

30.01.2014 17:22

Die Wurzeln der Walpurgisnacht gehen auf germanische Ursprünge zurück

- von Corinna Weinert

 

In wenigen Tagen ist es wieder soweit: Auf Besen, Mistgabeln, Katzen, Schweinen und Ziegenböcken fliegen die Hexen herbei, um auf dem Blocksberg den Teufel zu treffen und zusammen ein rauschendes Fest zu feiern.

Die Legende besagt, daß sich die Hexen in der Walpurgisnacht zunächst auf dem Hexentanzplatz bei Thale sammeln und von dort aus gemeinsam auf den Brocken, der als höchste Erhebung im Harz dem Blocksberg entspricht, fliegen, wo das eigentliche Hexenfest stattfindet. Dort tanzen sie angeblich im Kreis mit dem Rücken zueinander um ein großes Feuer herum und küssen anschließend dem Teufel den Hintern. Indem sich die Hexen mit dem Teufel vermählen lassen, empfangen sie von ihm neue Zauberkräfte.

Die Walpurgisnacht, das Hexenfest schlechthin, kennt hierzulande fast jeder. Unzählige Sagen ranken sich um sie, in Lyrik und Komposition fand sie Eingang. Theodor Storm und Gustav Meyring verfassten Gedichte über die Walpurgisnacht, Johann Wolfgang von Goethe hat sie in seinem "Faust" verewigt. Was aber hat es mit dieser Nacht nun wirklich auf sich?

Der Name Walpurgisnacht leitet sich von der heiligen Walpurga (auch Walburga oder Walpurgis) ab. Walpurga war Äbtissin im Nonnenkloster Heidenheim in Franken und galt den ländlich-volksgläubigen Katholiken als Beschützerin vor dem Verhextwerden von Mensch und Vieh. Sie wurde durch Papst Hadrian II. an einem 1.Mai - vermutlich im Jahre 870 - heiliggesprochen.

Die Wurzeln der Walpurgisfeier liegen jedoch weit in vorchristlicher Zeit und gehen auf germanische Ursprünge zurück. Die Walpurgisnacht läutet den nordischen Sommer ein, sie findet als Mondfest in der ersten Vollmondnacht zwischen der ersten Frühjahrstagundnachtgleiche und der Sommersonnenwende statt. Die "Ureinwohner" der Region feierten in der Walpurgisnacht ein mit diversen Opfern einhergehendes Frühlingsfest aus Freude darüber, daß der Winter zu Ende war.

Nach altem Volksglauben vertrieben in dieser Nacht die Götter Wotan und Frejya die Winter-Dämonen und zeugten den Frühling. Dabei wurden auch böse Geister vertrieben, was durch Verkleidungen mit Masken, Schüssen und Feuer geschah. Ein weiterer Brauch war das Befragen der weisen Frauen, der "Hagazussen", nach der Zukunft; die weisen Frauen saßen in den "heiligen Hainen" angeblich auf der Schwelle zwischen der Menschen- und Geisterwelt.

Mit rituellen Liebesakten wollte man die menschliche Fruchtbarkeit auf den Ackerboden übertragen. Eine besondere Rolle spielten hierbei die "Brautsteine" genannten Monolithen, die man als versteinerte Brautpaare ansah. Es soll Sitte gewesen sein, daß in der Walpurgisnacht Mädchen mit entblößten Genitalien über die Monolithen rutschten, um sich dabei ihren Liebhaber zu wünschen.

In der Zeit der Christianisierung deutete man das Treiben in der Walpurgisnacht als heidnischen Hokuspokus, gleichzeitig aber fürchtete man es als Treffen finstrer Mächte; die Hagazussen wurden als "Hexen", als weibliche Verkörperungen des Bösen, die mit dem Teufel im Bunde waren, angesehen.

Man tanzte in der Nacht vom 30.April auf den 1.Mai zwar weiter um ein großes Feuer, jetzt allerdings, um die Hexen abzuwehren. Die Menschen zogen lärmend durch die Straßen - nun jedoch nicht mehr, um den Frühling zu begrüßen, sondern um Geisterwesen zu verscheuchen. Als Schutz gegen die Hexen malte man weiße Kreuze an Häuser und Stallungen oder streute geweihtes Salz auf die Türschwellen. Auch das Aufhängen von Baldrian- und Dostzweigen an den Stallungen sollte verhindern, daß die Hexen dem Vieh etwas anhaben können. Walpurgiskraut, ein Farnkraut, das auf Heidewiesen und trockenen Grashügeln wächst, diente dem Schutz der Milch.

Die Besen wurden in dieser Nacht mit dem Reisig nach oben aufgestellt oder es wurden zwei gekreuzte Besen vor der Tür platziert; das galt als sichere Verteidigung gegen Hexen. In einigen Gegenden war es üblich, ein Messer ins Schlüsselloch zu stecken. Mancherorts zogen junge Mäner Peitschen knallend durch die Straßen, um die Hexen zu vertreiben.

Wer in der Walpurgisnacht einen Gundelrebenkranz trug, war angeblich in der Lage, alle Hexen zu erkennen. Wenn in der Walpurgisnacht geweihte Glocken, also Kirchenglocken, läuteten, sollten die Hexen einem nichts anhaben können. Am folgenden Morgen ging niemand vor dem ersten Hahnenschrei oder vor dem Tagleuten aus dem Haus, da man nicht sicher sein konnte, ob nicht doch noch irgendwo eine verspätete Hexe unterwegs war.

Viele Riten der Walpurgisnacht rankten sich um junge Paare, die symbolisch für die menschliche Gemeinschaft stehen. Wer wissen wollte, ob die geliebte Person die richtige ist, der pflanzte in der Walpurgisnacht zwei Vergissmeinnicht mit etwas Erde auf einen Stein. Wuchsen die beiden Pflanzen aufeinander zu, so würde die geliebte Person treu bleiben und eine Hochzeit bevorstehen.

Ein beliebter Brauch war auch das Häckselstreuen. Hierbei wurden geheime Pfade der Liebe aufgedeckt, indem man eine Häckselspur von einem Haus zum anderen Haus legte. In anderen Gegenden erfolgte das durch den Maistrich: In der Nacht wurden weiße Linien mit Kreide oder Kalk bei heimlich Verliebten vom Haus des einen zum Haus des anderen gezogen und somit öffentlich gemacht.

Heute ist der "Tanz in den Mai" die moderne Form, den Mai zu begrüßen. Die Mischung aus Brauchtum und Magie, Spaß und Unterhaltung ist dabei wohl für alle Altersgruppen faszinierend. Vielerorts wird am 1.Mai in der Dorfmitte ein Maibaum aufgestellt und im Tanz mit Bändern umwickelt. Der Maibaum - meist eine Birke - soll die Weltachse darstellen; er ist das Symbol für die Verbindung zwischen Erde und Firmament.

Die mutmaßlichen Zentren der alten heidnischen Walpurgisnacht - der Brocken und der Hexentanzplatz - sind heute Touristenattraktionen. Das erste nach heutigem Brauch inszenierte Walpurgisfest fand 1896 statt. Seitdem wird jedes Jahr ein Hexenspektakel veranstaltet, das Besucher von nah und fern anlockt. Die echten Hexen aber hat man in der Walpurgisnacht schon lange nicht mehr gesehen; vielleicht ist ihnen das Treiben der Menschen ja zu mysteriös.

 

(entnommen aus der "Preußischen Allgemeinen Zeitung", 28.April 2007)

 

 

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