
...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!
Schloßturmbläser in Königsberg - Von einer alten Zunft und ihrer Geschichte
10.02.2014 18:39Gerade jetzt, wenn die besinnlicheren Tage im Jahr uns häufige als sonst in die unvergessene Heimat zurückführen, werden wir besonders gern jener schönen Sitte gedenken, dem Choralblasen vom Schloßturm in Königsberg. Traten doch gerade zur Weihnachtszeit die Stadtmusikanten, die zuletzt diesen Dienst versahen, dann höchstpersönlich im meist schon winterlichen Straßenbild in Erscheinung, indem sie am Heiligabend auf immer recht feierliche Art das Fest einleiteten.
Das Choralblasen vom Schloßturm wurde vom überwiegenden Teil der Bevölkerung auch zuletzt noch als eine schöne, fromme Sitte begrüßt. Dabei war es bei dem immer mehr zunehmenden Verkehrslärm der neuen Zeit leider oft der Fall, daß nur noch Bruchstücke der getragenen Melodien - morgens: "Ach bleib' mit deiner Gnade" und zum Feierabend: "Nun ruhen alle Wälder" - an das Ohr der eiligen Passanten gelangten.
In früheren Zeiten gehörte eine solche Turmbläserei offiziell zu jeder Burganlage, wie es ja auch die Hochmeisterburg im alten Königsberg, das spätere Herzogs- und danach Krönungsschloß einst war. Der Inhaber dieses Amtes hatte die bedeutungsvolle Aufgabe, das Öffnen und Schließen der Burgtore und den Ein- und Austritt der Besucher auszublasen. Daneben htte er vor allem den Zeiger der Turmuhr zu stellenund alle Viertelstunde nach bedrohlichem Feuerschein auszuspähen. Solch ein Turmbläser in alten Zeiten mußte also das Uhrmacherhandwerk erlernt haben und sich hierin gut auskennen.
Die Königsberger Turmbläser galten darüber hinaus als ein besonders exklusiver Kreis, dessen Oberhaupt ein "Meister" war. Um hier hineinzukommen, bedurfte es einer fünfjährigen Lehrzeit. Die Benutzung der Trompete war als Privileg dem fürstlichen Hofe, also diesem Schloß vorbehalten. Den Schloßturmbläsern oblag auch das Musizieren in Kirchen und zu Festen. Sie mußten sich also auf den musikalischen Satz verstehen und auf eine Melodie eine Motette arrangieren können.
Als die Hohenzollern ihre Residenz nach Berlin verlegten, ging es mit der Königsberger Schloßbläserzunft allmählich bergab. Sie mußten nun schwer um die ihnen zustehende Besoldung kämpfen und sich immer häufiger auf privaten Hochzeiten ihr Geld zusammenblasen. Es kam dann so weit, daß nur noch jeweils ein einziger Trompeter übrig blieb, der immer Militärinvalide war. Die Bedienung der Schloßturmuhr machte ja seine Existenz notwendig. Zu Ende des 18.Jahrhunderts starb der letzte aus der altehrwürdigen Turmbläserzunft.
Doch nun sorgte der Stadtkapellmeister dafür, daß die bekannten Choralweisen zur gewohnten Stunde vom Schloßturm her erklangen. Eine schöne Sitte, die bis zum Untergang unserer alten Krönungsstadt beibehalten wurde.
(Dr. Rudolf Pawel -
entnommen aus "Ostpreussen-Warte - Das Heimatblatt aller Ost- und Westpreussen", Dezember 1960)
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