...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Johannisnacht - Altes Brauchtum der ostpreußischen Heimat

29.01.2014 18:04

Wenn am 24.Juni, dem Johannistage, die Sonne ihren Höchststand erreicht, dann ist die Zeit der Sommersonnenwende gekommen. In Nordostpreußen sind dann die "weißen Nächte", in denen der Sonnenuntergang noch verglüht, wenn am östlichen Himmel bereits die Morgenröte aufsteigt, "aus Glut und Glut ein neuer Tag". Am Memelstrom ist dann die "Heuaust" (Heuernte) in vollem Gange, in den Weidengebüschen schmettern Legionen Sprosser, die Nachtigallen des Ostens, ihre Hochzeitslieder und über die weiten Stromwiesen dröhnt nachts der dumpfe Ruf der Rohrdommeln. Und den ganzen Strom entlang, von Weißrussland durch Litauen bis zum Kurischen Haff, auf der Nehrung, in den Dörfern lodern am Vorabend des 24.Juni, am Johannisabend, bis lange nach Mitternacht die Johannisfeuer durch die milde Nachtdämmerung. So haben schon vor 700 Jahren Kriwe, der höchste Priester, und die Waideluten zur Feier der Sommersonnenwende die Feuer an den heiligen Stätten Altpreußens entzündet, und das Volk trug von ihnen durch die Frühe des jungen Tages Glut zum vorher gelöschten Herdfeuer, frommgläubig Glück und Segen für das Haus erhoffend.

Es kam dann die Zeit, da gepanzerte Ritter mit dem Schwert das Kreuz am Memelstrom predigten, die alten Götter Perkunos, Pikollos, Potrimpos aus dem heiligen Ramowe vertrieben und der christliche Kalender die heidnische Sommersonnenwende zum Tag Johannes des Täufers machtem diesen gleichzeitig zum Beschützer gegen Seuchen und Unwetter erhebend.

Das große Licht herrschte jedoch weiter, allgewaltig. Altheidnische Kultur vermischte sich jedoch jetzt mit christlicher Glaubenslehre. Der Ostmarkensiedler brannte das Johannisfeuer, mit dem er uraltes preußisches Brauchtum übernahm, das bis in unsere letzten Tage im ostpreußischen Volksleben verwurzelt geblieben ist.

In der Johannisnacht waltet ein geheimnisvoller Zauber, gehen Hexen um, den Menschen zu schaden. Gegen ihre Ränke hilft nur das "Neunerlei-Kraut", das schweigend am Johannisabend auf den Wiesen gepflückt wird: Johanniskraut, in Ostpreußen auch Jesuwundenkraut genannt, Beifuß, Kamille, Hahnenfuß, Thymian, Raute, Farn, Nachtschatten und Kuckucksblume (Knabenkraut). Bestrich man damit die Rücken der Kühe, denn Vieh war in dieser Nacht besonders gefährdet, und die Euter mit Kalmus, konnten die Hexen nicht die Milch "benehmen". Bilsenkraut, Kletten, Dill oder Kaddig (Wacholder) über die Stalltür gehängt, bannen die Hexen. An manchen Orten pinselte man mit Teer drei große Kreuze an die Stalltüre, im Ermland malte man mit geweihter Kreide einen Kranz oder auch drei Kreuze. Standen vor dem Stalleingang drei vielverästelte trockene Birkenbäume, so mußte die Hexe die Äste erst zählen und wurde meistens bis Mitternacht damit nicht fertig, man hatte sie dann überlistet. Wer im Walde die Farnblüte sieht, erlangt Glück und Reichtum, aber bekanntlich blüht der Farn niemals, und ebenso, wer unter einer Beifußpflanze glühende Kohlen in der Erde findet. Diese pulverisiert, sind außerdem ein gutes Mittel gegen Krämpfe, und das Räuchern mit getrocknetem Johanniskraut, das in der Johannisnacht gesammelt wurde, hilft gegen alle Gebrechen. In Nordostpreußen war der Johannistag ein Feiertag des Landmannes, an dem nach alter Sitte die Arbeit ruhen mußte, da sonst Unheil jahrüber drohte und ebenso war für ihn der Johannistag ein Wetterkalender seit altersher, den Städtern aber ein Volksfest wie selten im Jahre. Es ist allgemein bekannt, daß die samländischen Fischer am Johannistage und den beiden folgenden niemals auf See hinausfuhren, weil die Ostsee dann Menschenleben als Opfer verlangte. Die verkohlten Überreste der Johannisfeuer aber wurden sorgfältig gesammelt und über den Acker verstreut, der dadurch fruchtbar wurde.

Da der Johannisnacht besonders enge Beziehungen zur Liebe nachgesagt wurde, erprobten die Mädchen heimlich mancherlei Liebesorakel. Ein schweigend aus dem "Neunerlei-Kraut", jedoch ohne Faden, gewundenes Kränzlein mußte über den Kopf rückwärts nach einem Baum geworfen werden. Blieb es im Geäst hängen, war im nächsten Jahre Hochzeit, andernfalls mußte das Mädchen noch warten. Dasselbe Kränzlein unter das Kopfkissen gelegt, zeigte im Traum den Ersehnten. Oder es wurde auch Leinsamen über den Kopf ins Bett geworfen, wobei das Mädchen folgendes Verschen sprechen mußte:

Ich säe den Samen

in Gottes Namen

in Abrahams Garten,

mein Feinslieb zu erwarten.

Wie es geht, wie es steht,

Wie es auf der Gasse geht.

Oder das Mädchen blickte zum Fenster nach dem Abendstern und sprach dreimal die Worte:

Gegrüßt seist du, Abendstern,

Wie leuchtest du von mir so fern!

Scheinst über mir, scheinst unter mir,

Ist auch mein Feinstlieb unter mir?

Laß es zu mir kommen,

Wie es geht und steht,

Aber nur im Traume!

War morgens in der "Johanniskuhle", einem mit Moos abgedeckten Erdloch in der Gartenecke, ein grüner Käfer drin, so war der Zukünftige ein Jäger. Ein Goldkäfer bedeutete ein Beamter, ein "grieser" (grauer) ein Handwerker und ein Wurm, daß ein Arbeiter in Aussicht steht. Es gab noch das "Johanniswurzelsetzen", indem die Wurzeln die Wruke (Kohlrübe) mit denen des Kohls verflochten und eingepflanzt wurden. Entwickelten sich aus ihnen beide Arten, gab es bald Hochzeit. Und Liebesleute knickten zwei nebeneinander stehende Beifußpflanzen. Richteten sie sich über Nacht auf, hatte die Liebe Bestand. Und so gab es noch vielerlei Orakel in der zaubervollen Johannisnacht der ostpreußischen Heimat.

Im Jahre 1940 brannten zum letzten Male die Johannisfeuer am Memelstrome zur Feier der sommerlichen Sonnenwende. Und sie sind (für immer?) erloschen, seit der Weltenbrand über dieses friedliche Ländchen am alten Strom hinwegraste.

 

(entnommen aus der "Ostpreussen-Warte", Juni 1959)

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