
...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!
Die Entstehung des Altvaters
20.02.2014 10:59Eines Tages weidete ein Schäfer, namens Konrad, auf einer schönen Wiese in der Nähe eines Dorfes im Gebirge seine Schafe. Konrad hörte plötzlich dicht hinter sich eine laute Stimme seinen Namen rufen. Weit und breit war jedoch kein Mensch zu sehen. Da öffnete sich vor den Augen des erschrockenen Hirten die Erde und eine übermenschlich große Gestalt mit langem, weißem Barte, doch überaus gütigem Antlitz stieg empor. Es war der Altvater. In milder Bläue erstrahlten seine Augen: "Gibt mir dein bestes Schaf, du wirst es nicht bereuen, dann sollst du auch wissen, wer ich bin", sprach er zu dem Hirten. Der Hirt gab es dem obersten Berggeist: "Ja, ich bin der Altvater, der oberste Berggeist dieser Gegend. Weil du meine Bitte erfüllt hast, will ich dich belohnen. Du sollst die Schatzkammer meines Schlosses sehen und wirst dort ein Geschenk erhalten." Die Sucht nach Reichtum ließ Konrad die Furcht vergessen und willig folgte er dem Berggeist. Beim Tor des unterirdischen Schlosses angekommen, öffnete es der Altvater durch einen leichten Druck und - eine nie gesehene Herrlichkeit von goldenen Schätzen bot sich den Augen des Schäfers. Der Berggeist erlaubte Konrad sich ein Goldstück zu nehmen, warnte ihn jedoch mehr einzustecken, denn dies wäre sein Unglück. Als sich aber der Schäfer allein sah, nahm er außer dem Goldstück noch einen prächtigen, goldenen Leuchter mit und strebte eilends dem Ausgang zu. Doch er konnte ihn jetzt nicht mehr finden. Da erschien plötzlich der Berggeist, mit zürnendem Antlitz und schwang seinen Stab über den Kopf des Hirten. Ein Blitz zuckte, ein schrecklicher Donnerschlag folgte, die Erde bebte und begrub den habsüchtigen Schäfer. Die schöne Wiese war verschwunden und an ihrer Stelle erhob sich ein hoher Berg - der Altvater.
Altvater! König der Sudeten nennen wir dich. Zur engsten Heimat bist du uns geworden. Ob im Herbsteswehen, ob im blendenden Schmuck des Winters, ob im lachenden Frühlingskleid, ob im prächtigen Sommerschmuck, immer stehst du Unwandelbarer hoch über dem kleinlichen Erdenjammer der Menschen.
Anmerkung: Die Natursagen sehen auf ein hohes Alter zurück. Die unverstandenen Kräfte der Naturgewalten führten dazu, sie als übernatürliche Kräfte zu betrachten und ihnen Eigenschaften überirdischer Wesen zuzuschreiben. Wenn in den rauhen Winternächten der Sturm durch das Gebirge brauste, daß die Bäume ächzten und stöhnten, vermeinte das Volk, leibhaftige Spukgestalten zögen durch die Lüfte. Der germanische Götterglaube, seine Mythen von Wodan, fanden hier eine gute Untermalung und immer wiederkehrende Gedächtniserinnerungen. Die Sage machte Wodan zum Berggeist Altvater, der unsere Heimat gleichsam in den schützenden Mantel hüllt. Wie sich die elementaren Kräfte der Natur, die je nach dem Verhalten des Menschen Gutes oder Böses bringen können, in ihm verkörpern, hat auch der germanische Heidenglauben unserer Vorfahren seine Gestalt geformt. Wie das Riesengebirge seinen Rübezahl, das Erzgebirge seinen "Barchgeist" hat, ist es bei uns der Altvater, der über all die Bergmännchen und Flurgeister gebieten soll. Leider hat die wirkliche Volksüberlieferung nur wenige Altvatersagen bis in die letzte Zeit aufbewahrt und der Großteil sind rein literarische Kunstsagen.
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