...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Der Tod im Brunnen

10.02.2014 13:35

In vielen Gegenden Böhmens ist es der Gebrauch, wenn ein Kind zur Welt kommt, die Nacht darauf ein Laib Brot mit Salz auf den Tisch zu legen. Dieses ist für die drei Frauen bestimmt, die über das Schicksal des Kindes bestimmen. Diese Frauen heißten Richterinnen.

Ein Hauptmann übernachtete einmal in einem Bauernhofe, wo eben ein Söhnchen zur Welt gekommen war. Um Mitternacht wurde er durch ein Geräusch geweckt und wie er leise hinter dem Ofen, wo er lag, hervor sah, erblickte er drei weiß-gekleidete Gestalten mit brennenden Kerzen, die saßen an dem Tische und aßen vo dem Brote, das ihnen vorgestellt worden war. Da sprach die eine: Nun welchen Todes soll er sterben? Durch das Beil? Nein, sagte die andere, er soll erschossen werden. Tut das nicht, sagte die dritte. Ihr seht ja, sie haben uns bewirtet, laßt ihn eines sanfteren Todes sterben. Nun gut, sagte die erste, er soll also in seinem eigenen Brunnen ertrinken und zwar im 18.Jahr. Hierauf erhoben sich alle drei und verschwanden. Früh erzählte der Hauptmann dem Bauer, was vorgefallen sei und zeichnete sich auch Jahr und Tag genau auf und zog weiter ins Feld. Nach achtzehn Jahren reiste er zu Fleiß nach dem Bauernhofe, um den Tod des Jünglings zu verhindern. Eben traf er den Vater, wie er beschäftigt war den Brunnen zu verschallen, damit der Sohn nicht hineinfallen könne. Der Sohn war auf dem Felde. Bevor jedoch die Verschallung fertig war, kehrte der Sohn zurück und da erheftigen Durst fühlte, trat er zum Brunnen und wollte trinken. Aber der Vater ließ es nicht zu. Da wurde der Jüngling bleich, sank zusammen und stürzte leblos über den Rand des Brunnens ins Wasser. So war er doch gekommen, wie die Richterinnen geweissagt hatten.

 

(R. Czermak aus Prag -

entnommen aus dem "Sagen-Buch von Böhmen und Mähren", Dr. Josef Virgil Grohmann, 1863)

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