...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Der Heidelberger Sommertagsumzug

27.02.2014 20:25

Am Sonntag Lätare, das ist dem vierten Sonntag in der Fastenzeit, finden weithin in Deutschland und darüber hinaus Umzüge statt, die in mannigfachen Formen den Sieg des Sommers über den Winter darstellen. In vielen Gebieten wird zu Lätare, das darum auch Totensonntag heißt, das "Todaustragen" geübt, bei dem der Winter (Tod genannt) auf irgendeiner Weise vernichtet wird. Dieses Todaustragen kommt allein vor, ist aber zumeist mit dem Sommereinbringen verbunden. Dabei ist in der Regel der Tod als Strohpuppe gekennzeichnet, der Sommer aber durch ein mit Brezeln, ausgeblasenen Eiern und bunten Bändern geschmücktes Bäumchen oder auch einen entsprechenden Stab. In der Vorderpfalz und den angrenzenden badischen und hessischen Landstrichen feiert man den "Sommertag" oder den "Stabaus". Albert Becker (Pfälzer Frühlingsfeiern, Kaiserslautern 1908) hat gezeigt, wie die Verbreitung der verschiedenen Benennungen des Brauches sich mit den Grenzen des alten Speyer- und Kreichgaus (Sommertag) bzw. des Wormsgaus (Stabaus) deckt. Der Name "Stabaus" leitet sich von den Anfangsworten der Kinderlieder dieses Tages her und ist wohl aus "Stäup aus!" verstümmelt, so daß der Winter auch kurz als "der Stabaus" bezeichnet wird. Allgemein bekannt ist heut der große Sommertagszug zu Heidelberg, der indessen erst 1893 wieder nach längerer Pause zu neuem Leben erweckt wurde. Hunderte von Kindern ziehen mit ihren "Sommertagsstecken" durch die Stadt, geschälten Stäben, an derenSpitzen ein ausgeblasenes Ei (neuerdings stattdessen auch ein Apfel) in einer Brezel hängt. Die Bettellieder der Kinder beziehen sich auf die Vernichtung des Winters, die Begrüßung des Sommers. Dazu wandeln im Zug eine Reihe von mit Stroh oder Tannengrün umwickelten Gestellen mit, unter denen sich Knaben verbergen. Sie stellen eine Vervielfältigung der Winter- und Sommergestalt dar, wie wir sie auf älteren Abbildungen finden. In der Pfalz erhielten sich teilweise auch noch die Sommer- und Winterkämpfe, zu größeren dramatischen Vorführungen aufgebauscht oder nur noch in den Holzschwertern der Kinder nachklingend. Auf verwandte Frühlingsstabumzüge in der Antike verwies Albrecht Dieterich (Sommertag, Leipzig 1905). Vermutlich ist der Brezelstab nur ein später Nachfahre des Radstabes (Sonnenradstabes), den wir ebenso in den Felsbildern des Brunholdissteins bei Bad Dürkheim wie auf assyrischen Thronaltären finden.

 

 

(entnommen aus "Die Deutsche Volkskunde", herausgegeben von Professor Dr. Adolf Spamer, Zweiter Band, 1935)

—————

Zurück