
...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!
Der alte Knecht [Otto Linck]
15.02.2014 13:57An der Südwand vor dem Weinspalier
sitzt der alte Knecht im Abendschein;
seine weißen Haare hängen wirr,
ums zerfurchte Antlitz, braun wie Stein.
Vieler Jahre treu erfüllte Pflicht
beugte ihm den Rücken schwer,
und der müde Blick sieht den Garten nicht,
sieht das grüne Land nicht mehr.
Lauschend nur manchmal
hebt er Haupt und blind Gesicht;
wenn der Bauer schilt, klagt ein Tier im Stall,
wenn ein Fremder auf der Straße spricht.
Sechzig Jahre war beim Morgenrot
er als erster wach im alten Haus,
gab dem Vieh und schnitt der Magd das Brot,
sah im Tore nach dem Wetter aus.
Sechzig Jahre waren Winter grau,
umgebrochne Äcker, erste Saat,
waren Wiesen nass vom Nebeltau,
waren Korn und Frucht und letzte Mahd.
Sechzig Jahre Mühsal - einmal war auch Mai,
ging er mit der Braut, mit Frau und Kind,
lange ists vorbei,
und der Alte sitzt allein im Abendwind.
Hebt zuweilen nur suchend seinen Blick,
lauscht wohl tief zurück, was da sechzig Jahr
Arbeit, Müh und Plag, kaum gewusstes Glück
all gewesen war.
Ganz erfüllt Gefäß; doch sein blind Gesicht
regt sich nicht und bleibt wie Stein.
Sechzig Jahre helle Welt und getane Pflicht,
ach was mag dem Menschen mehr beschieden sein?
(Otto Linck -
entnommen aus "Schwäbischer Almanach 1933", Herausgeber: August Lämmle)
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