...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Das weissagende Jesukindlein

20.05.2014 15:04

Über dem Tor der Erbreichterei in Rehsdorf bemerkte man noch bis in die jüngste Vergangenheit in einer Nische das Standbild der Gottesmutter mit dem göttlichen Kind.

Von diesem Jesukinde wird erzählt, daß es einmal, als man es mit Blumen schmückte und Lichter anzündete, in heftiges Weinen ausbrach und jedesmal weinte, wenn fromme Leute kamen, um davor zu beten. Schließlich wagte es niemand mehr, sich dem geheiligten Orte zu nähern.

Der Erbrichter aber, ein frommer und rechtschaffener Mann, hatte doch das Herz, das Kindlein um die Ursache des herben Schmerzes zu fragen. "Wie sollt ich nicht weinen?" sagte das göttliche Kind, "wenn in kurzer Zeit dein Haus abbrennen wird."

Darüber erschrak der Mann über alle Maßen, war er sich doch keiner Schuld bewußt, deretwegen er eine so schwere Strafe erleiden sollte. Er besann sich aber und wagte es, das Jesukind zu bitten, es möge die Strafe abwenden und sie in eine mildere verwandeln, durch die er nicht so unmittelbar betroffen würde. Er bat daher: "Du könntest in deiner Gnade und Barmherzigkeit vielleicht den Erlenwald, der sich nicht weit von meinen Wäldern hinzieht, abbrennen lassen. Erhöre mich und strafe nicht die Gerechten für die Ungerechten!"

Das Jesukind antwortete nicht, es weinte nur noch viel mehr. Um es zu versöhnen, legte der Erbrichter am nächsten Tag dem Kindlein ein kostbares Kleidchen an. Da aber schluchzte es nur noch heftiger und klagte: "Nun muß ich fort aus diesem Hause, das dem Zorn Gottes verfallen ist." Und am nächsten Tage war das Standbild verschwunden.

Bald darauf brachen Krankheiten aller Art unter Kühen und Pferden aus. Und an einem Abend - der Bauer war eben mit dem Gesinde zum frommen Gebete versammelt - flammte es hell auf. Feuersglut übergoß den Himmel und verbreitete einen hellen Schein, der die Stuben erhellte. Man glaubte nichts anderes, als das Gebäude stehe in Flammen und jagte in wilder Hast zur Tür hinaus. Aber wie freuten sich alle, als sie draußen sahen, daß der Erlenwald brenne. Da erkannte der Bauer, daß er vom Jesukind erhört worden war.

Am nächsten Tag war das alte Standbild wieder in der Nische, und das Jesukindlein schien versöhnt zu lächeln und weinte von nun an nie wieder.

 

(entnommen aus "Die schönsten Sagen aus dem Schönhengstgau", Dr. Gustav Korkisch, 1953)

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