...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


1. Die alten Deutschen

28.03.2014 15:00

1. Land und Leute. Unsere Vorfahren, die Germanen, wohnten zuerst in den Küstengebieten der Nord- und Ostsee. Später zogen sie in das Innere des Landes, und mächtiger als die See wirkte auf sie der Wald. Ungeheure Waldmassen, unterbrochen von Sümpfen und steppenartigen Gefilden, bedeckten das Land. Das Klima war wegen der vielen Niederschläge rauh und feucht, und manche Kulturpflanze, die heute vortrefflich gedeiht, konnte damals nicht fortkommen. Der Wald bot den Germanen Schutz gegen die römischen Heere; er spendete ihnen die Nahrung zum Lebensunterhalt und lieferte ihnen das Holz zum Bau der Häuser, zur Anfertigung von Geräten und Gefäßen, zur Heizung und Beleuchtung sowie zu den Waffen (Schild, Bogen, Pfeil). Die Wälder waren mit zahlreichem Wild belebt, mit Bären, Wölfen, Auerochsen, Hirschen, Rehen und Hasen, und die Jagd auf diese Tiere bildete die alten Deutschen zu kühnen Jägern aus.

Die Jagd stärkte die Kriegstüchtigkeit der Germanen; sie weckte in ihnen die Lust nach Beute und Ehre und gewöhnte sie an Mut und Tapferkeit. Schon von früher Jugend an wurden die Knaben zu Kriegern erzogen. Das Neugeborne wurde in kaltes Flußwasser getaucht; fast nackt tummelte sich die Jugend in Haus und Hof und bot Nässe und Kälte Trotz. So wuchs ein starkes, kernhaftes Geschlecht heran, das den Völkern des Südens Bewunderung einflößte. Die hohe Gestalt, die blauen Augen, die weiße Haut, das rötlichblonde Haar der deutschen Männer und Frauen: Alles dies gefiel selbst den vornehmen, verwöhnten Römern und Römerinnen. Während bei den deutschen Männern das Haar frei herabwallte, hatten die Frauen dasselbe in der Mitte gescheitelt. Als Schmuck trugen die Frauen Arm- und Fingerringe sowie Halsschnüre aus Metall, Bernstein oder Ton.

Übrigens bestand zwischen der Tracht der Männer und derjenigen der Frauen kein großer Unterschied. Das wichtigste Kleidungsstück beider Geschlechter war der Mantel, ein großes, wollenes Tuch, das mit einer Spange zusammengehalten wurde. Im Winter trugen die Männer auch Tierfelle, und die Frauen hatten oft neben dem Mantel noch ein langes, leinenes Gewand, das sie mit roten Purpurstreifen besetzten. Das Hemd lernten sie erst später von den Römern kennen. Die Frauen, Knechte und Mägde spannen, woben und nähten die Kleidung und fertigten die einfachen Werkzeuge und Geräte an, die man im Haushalt nötig hatte. - Reichliche Nahrung gewährte die Jagd; die Flüsse und Bäche luden zum Fischfang ein; die Viehzucht lieferte Fleisch und Milch. Aus Gerste, Haber und Hirse kochte man Brei; aus den Körnern der Gerste und des Habers wurde eine Art Bier gebraut, und der Honig der wilden Bienen mit Wasser vermischt gab den berauschenden Met. Neben den Körnerfrüchten wurden Erbsen und Bohnen angepflanzt, ebenso auch Rüben. Sehr alt ist der Anbau von Hanf und Flachs. Der wilde Apfelbaum (Holzapfel) lieferte schon in uralter Zeit seine sauren Früchte, während der Weinstock erst später durch die Römer ins Land kam.

Abgesondert und zerstreut siedelten sich die alten Deutschen in einzelnen Gehöften an, wo gerade eine Quelle, ein Hain oder ein Feld zur Niederlassung günstig war. Das Haus wurde aus unbehauenen Baumstämmen zusammengefügt und mit Stroh oder Schilf gedeckt. Sein Boden bestand aus festgestampftem Lehm; in der Mitte stand der Herd, in dessen Nähe dem Gaste der Ehrenplatz angewiesen wurde. Der Hofraum war durch Pfähle eingefriedigt, um ihn herum lag die Feldmark.

2. Sitten und Gebräuche. Über Leben und Treiben, Sitten und Gebräuche unserer Vorfahren berichten römische Geschichtsschreiber. Sie rühmen den keuschen, züchtigen Sinn der alten Deutschen. Die Frau galt in Arbeit und Gefahr als Genossin des Mannes und stand ihm auch im Kriege treu zur Seite. Wurde ein Mädchen verlobt, so kamen verheiratete Frauen udn brachten das herabwallende Haar der Braut unter eine Haube (daher der Ausdruck "unter die Haube kommen"). Der Mann beschenkte seine Braut nicht mit Schmucksachen, sondern mit einem gezäumten Roß, mit Schild und Speer und Schwert, den Waffen des Mannes. Die Treue der Germanen wird besonders gerühmt; bei ihnen hieß es: "Ein Mann ein Wort!" Ohne zu fragen woher? oder wohin? übten sie Gastfreundschaft gegen jedermann, gegen Bekannte und Fremde; der Gast galt als unverletzlich und stand unter dem besonderen Schutz des Hauses. Die Freiheit schätzten sie als solch hohes Gut, daß im Kriege die Frauen oft ihre Kinder und sich selbst töteten, um nicht in die Knechtschaft der Feinde zu geraten. -

3. Stände und Volksversammlungen. Jeder Deutsche, der ein eigenes Gut hatte, war ein Freier; diejenigen Freien, die durch einen großen Besitz oder durch ungewöhnliche Taten zu höherem Ansehen gelangten, waren die Edelinge oder Adelinge, aus denen die Führer gewählt wurden. Die freien, gleichberechtigten Krieger lebten nur der Jagd und dem Kriege, während die wirtschaftlichen Arbeiten den Frauen und Knechten überlassen blieben. Die Hörigen erhielten ein Stück Land zur Bewirtschaftung, mußten aber einen Teil des Ertrages abgeben und außerdem die Äcker der Freien bebauen und deren Herden bewachen. Aus den Hörigen entstand der Handwerkerstand; die ältesten Handwerker waren die Schmiede, Zimmerleute und Töpfer. Unterworfene und Kriegsgefangene gehörten den Herren mit Leib und Leben. Sie wurden aber mild behandelt, nicht selten mit einem Grundstück ausgestattet und oft freigelassen.

Die Germanen teilten sich in eine größere Anzahl von Stämmen; diese zerfielen in Gaue. Die Volksversammlungen wurden zur Zeit des Neumonds oder des Vollmonds unter heiligen Bäumen abgehalten. Nur die Freien, die in voller Waffenrüstung erschienen, durften daran teilnehmen. Die Volksversammlung hatte über wichtige Angelegenheiten, insbesondere über Krieg und Frieden zu entscheiden. War ein Krieg beschlossen, so wurde ein Anführer oder Herzog gewählt, "der auf den Schild erhoben wurde." Alle freien Männer waren zum Kriegsdienst verpflichtet; versammelten sie sich, um in den Krieg zu ziehen, "so war der Heerbann aufgeboten." Mit dem Ende des Krieges hörte die Macht des erwählten Herzogs auf. Erwachsenen Jünglingen wurde in den Volksversammlungen feierlich Speer und Schild überreicht, und nun waren sie als wehrhaft erklärt und durften auch an den Beratungen teilnehmen. - Die Volksversammlung war zugleich das Volksgericht. Frevel gegen die Götter und deren Heiligtümer, Landesverrat, Feigheit und Heeresflucht, heimlicher Mord und Zauberei wurden durch Aufhängen oder durch Ersticken in einem Sumpfe bestraft. Leichtere Vergehen wurden in den einzelnen Gauen abgeurteilt. An der Spitze eines Gaues stand der gewählte Gaugraf, der den Vorsitz im Gericht führte. Die Aufgabe der Gaugerichte bestand vornehmlich darin, der "Blutrache" zu steuern. Hatte jemand einen Menschen getötet, dann hatte das ganze Geschlecht oder die Sippe des Ermordeten die Pflicht, den Mörder auch zu töten. So konnten sich endlose Fehden und Kämpfe unter den Geschlechtern entwickeln.

4. Schrift, Dichtkunst. Die Germanen besaßen eine einfache Schrift, deren Zeichen 'Runen' genannt wurden/werden. Die ältesten Denkmäler der Runenschrift stammen aus dem 3. und 4.Jahrhundert n. Chr. Geburt. Nach der Völkerwanderung nahmen die Deutschen das lateinische Alphabet an. - Mit Schlachtgesängen zogen die Deutschen in den Kampf. Bei Opferfesten und Trinkgelagen, bei Hochzeiten und Totenbestattungen wurden Lieder gesungen, in denen die Kriegstaten der Helden verherrlicht waren. Den rauhen Gesang der Germanen verglichen die Römer allerdings mit dem Krächzen wilder Vögel. Die Form der Poesie war der Stabreim, und noch heute sind in unserer Sprache solche "Reime" vorhanden: Haus und Hof, Mann und Maus, Feuer und Flamme, Leib und Leben, Stock und Stein, Nacht und Nebel usw.

5. Religion. Die alten Deutschen waren Heiden. Sie glaubten aber an ein Fortleben der Seele nach dem Tode, weshalb sie den Toten Schmuckgegenstände, ja selbst Speise und Trank ins Grab mitgaben. Auch an eine Wiedervergeltung nach dem Tode glaubten sie. Die Gottlosen und die Feigen kommen in das finstere Reich der Hela, während die im Kampfe Gefallenen von den Walküren nach Walhalla, der Himmelsburg Wotans, gebracht werden, wo sie ihr irdisches Leben fortsetzen. Die Seelen vieler Abgeschiedenen leben nach dem Glauben der Germanen weiter in Bäumen, Quellen und Flüssen, und so entstanden die Sagen über Wasser- und Waldgeister, Nixen und Kobolde, über Zwerge, welche in den Bergen die Schätze bewachen, und über lichte Elfen, die in Feld und Flur singen und tanzen.

Wie dachten sich nun die Germanen ihre Götter? Die gewaltige Natur, von der sie umgeben waren, mußte in ihnen den Glauben an eine göttliche Gewalt erwecken. Der wilde Bergwald, das tobende Wasser, der heulende Sturm wiesen auf übermenschliche Kräfte hin. Brausend fuhr der Sturm durch die Äste, daß es ächzte, krachte und splitterte. So entstand in Niederdeutschland der Glaube an den Sturmgott Wotan. Bei den Franken wurde er zum Licht- und Sonnengott, zum allweisen Vater und Herrn der Welt. Mit wehendem Mantel und dem Wolkenhut auf dem Haupt fährt er auf achtfüßigem Rosse durch die Lüfte, den Eschenspeer in der Hand (Sage vom wilden Jäger). Zwei Raben saßen auf seinen Schultern, zwei Wölfe lagen zu seinen Füßen. Wotan ist auch der Kriegs- und Schlachtengott, der in seiner Himmelsburg Walhalla thront, umgeben von den Walküren. Auf schwarzen Rossen entrücken diese Schlachtjungfrauen die im Kampfe gefallenen Helden dem Schlachtort und bringen sie nach Walhalla, wo sie, zwischen ernsten Kämpfen und heitern Gelagen abwechselnd, ihr Leben weiterführen.

Wotans Gemahlin, Fria oder Freia, ist die Herrin der Wolken; sie sendet Regen und Schnee auf die Erde und jagt geisterhaft durch die Lüfte. Sie ist die Beschützerin der Ehe und des häuslichen Herdes. Nach ihr ist der Freitag genannt. Der Macht des Sturmes vergleichbar ist die des Gewitters. Die feurigen Blitze, welche zur Erde zuckten, und der furchtbare Donner, der durch die Waldgebirge hallte, galten als das Werk Donars, an den der Donnerstag erinnert. Auf einem mit zwei Böcken bespannten Wagen jagt er über die Wolken und wirft den großen Hammer zur Erde, daß er Riesen und Felsen zerschmettert. Donar galt auch als der Gott des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit; ihm war die Eiche geweiht. Ziu, der mächtige Licht- und Himmelsgott, war später der eigentliche Kriegsgott. Man stellte sich ihn als einen einarmigen Mann vor, der als Waffe ein blitzendes Schwert trug. Unsichtbar nahm er an der Schlacht teil und war der Führer der Kämpfenden. Sein Namen ist im Dienstag erhalten geblieben. - Tempel und einen besonderen Priesterstand gab es bei den Germanen nicht; ein heiliger Hain galt als Wohnsitz der Gottheit.

 

 

 

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