...herrlich ist dies Stückchen Erde, und ich bin ja dort daheim!


Kunst & Kultur


Unsere Wissenschaft spricht von einer Volksseele. Damit übernimmt sie einen Begriff, der früher anders aufgefaßt worden ist als heute. Früher hat man geglaubt, die Volksseele sei schöpferisch: irgendwo im Volke, so ganz von ungefähr entstehen Lieder, werde das geformt und geschaffen, was man Volksgut nennt, woraus unser Volkstum entstehe.

Wir wissen heute, daß solche Voraussetzungen irrig sind. Denn ein Volk, überhaupt eine Gemeinschaft ist nie schöpferisch in dem Sinne, daß sie als Gemeinschaft Fortschritte bringt im Werden einer Kultur. Die Fortschritte bringt immer der Einzelne. Das ist im Großen so wie im Kleinen. Auch das unscheinbare Liedlein wird nicht von einer Gemeinschaft geschaffen, sondern von Einzelnen, höchstens, aber selten, von einigen Einzelpersonen, z.B. einigen Soldaten in der Wachstube oder sonst einer kleinen Gesellschaft. Und auch dann sind es immer wieder die Einzelnen, die einen Vers formen.

Das gilt von jeder Gemeinschaft, von der städtischen Bevölkerung aller Stände wie von den Bauern.

Wir reden also nicht mehr von einer schöpferischen Volksseele im Sinne der Romantiker.

Schöpferisch, d.h. Neues und damit Fortschritte bringend ist nur die Einzelpersönlichkeit. Männer machen die Geschichte, nicht Gemeinschaften. Aber nur, wenn diese Männer in der Volksgemeinschaft stehen, wenn ihre seelische Haltung mit einer Gemeinschaft im Einklang ist, wenn sie von ihrem Volke verstanden werden und ihrerseits das Sehnen und Wollen dieses Volkes verstehen. Im Schatten der Einzelnen muß das Verlangen und Hoffen der Gemeinschaft, ihres Volkes, zur Tat werden: In ihnen muß die Volksseele zum Ausdruck kommen. Diese Volksseele ist gleichsam der Mutterboden, in dem die Keime schlummern, die zum Licht gebracht werden, sie trägt in sich die Lebenstriebe, bis ein Schöpfer sie ins Dasein ruft; sie erfüllt ein Volk mit dem Empfinden, daß es eine unlösbare Gemeinschaft bilde, in der jeder für den anderen mitverantwortlich ist, sie bindet das ganze Volk an den gemeinsamen Mutterboden, an die Heimat, an das Vaterland, und weckt den Sinn dafür und die Erkenntnis, daß Blut und Boden, deren Einheit in der Geschichte erlebt ist, für alle Zukunft verbunden sind; die Volksseele ist nicht messbar und nicht wägbar; sie ist das Irrationale im Volke, das nie fassbar ist für Menschen, die das Leben nur vom Verstand aus leiten und verstehen wollen; sie wird aber in allen großen Zeiten erlebt. Dort vor allem zeigt sich, daß eine Volksgemeinschaft nicht nur eine Summe von Einzelpersonen ist, nicht nur ein organisiertes Gebilde, sondern ein Organismus.

Daraus ergeben sich die Aufgaben für die Wissenschaft, die ein solches Volkstum betreut, die Volkskunde.